Print & Digital im Kontext von Nachhaltigkeit – Changing Perspectives
Kehren wir vor diesem Hintergrund zurück zur Frage, ob ein gedrucktes Produkt oder sein digitales Pendant nachhaltiger ist, müsste man im Grunde jede Vergleichssituation individuell betrachten – denn es gibt so viele Faktoren, die bei dieser Frage zu berücksichtigen sind. Da Printprodukte bereits mit ausreichend Vorurteilen beladen sind, kehren wir die Ausgangsbedingungen einmal um und werfen im Folgenden zunächst relevante Fragen bezüglich der Nachhaltigkeits- Dimensionen digitaler Medien auf. Denn nur, weil ihre potenziell negativen Umweltauswirkungen weniger offensichtlich sind, fallen sie nicht weniger ins Gewicht.
- Energieverbrauch: Wie hoch ist der Energieverbrauch während der Nutzung digitaler Medien, einschließlich des Betriebs von Servern und Endgeräten?
- Elektronikschrott: Welche Maßnahmen werden ergriffen, um Elektronikschrott zu reduzieren und elektronische Geräte am Ende ihrer Lebensdauer zu recyceln? Wie, wo und von wem wird der Elektronikschrott recycelt?
- Ressourcenverbrauch: Welche Ressourcen werden für die Herstellung von digitalen Geräten, digitaler Infrastruktur sowie den Betrieb von Datenzentren benötigt?
- CO2-Emissionen: Wie hoch sind die CO2-Emissionen, die durch den Betrieb von Servern und Datenzentren sowie den Energieverbrauch während der Nutzung digitaler Medien entstehen?
- Lebenszyklus: Wie beeinflusst die Lebensdauer digitaler Geräte und die Häufigkeit von Aktualisierungen und Upgrades (Neukauf) die Gesamtnachhaltigkeit digitaler Medien? Wie wirkt sich der Wunsch nach dem Besitz der immer neuesten Technik auf die Umweltbilanz aus?
- Wirksamkeit: Erreicht das digitale Medium effektiv die gewünschte Zielgruppe und wird es von ihr insofern ausreichend genutzt, dass der Energieverbrauch dahinter sich „lohnt“? Führt die Nutzung des digitalen Mediums zu dem gewünschten Erfolg, wie beispielsweise Conversions oder Interaktionen?
- Soziale Nachhaltigkeit: Welche sozialen Auswirkungen hat die Nutzung digitaler Medien, einschließlich Aspekten wie Zugänglichkeit, Datenschutz, Arbeitsbedingungen in der digitalen Industrie und gesellschaftlicher Teilhabe?
Und im Bereich Printmedien?
Auch hier sind es die weniger sichtbaren Aspekte, die schlicht übersehen werden, wenn es wieder mal irgendwo heißt, Printmedien seien eine pure Umweltsünde. Das heißt jedoch auch hier nicht, dass sie nicht weniger ins Gewicht fallen – im positiven Sinne…
- CO2-Fussabdruck: Druckprodukte machen weniger als 1 % des CO2- Fußabdruckes pro Person in Deutschland aus.
- Materialien: Viele Printprodukte werden auf Papierbasis hergestellt, das aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammt. Dabei werden keine Naturwälder gerodet. Zudem wird gesundes Stammholz für den Haus- und Möbelbau eingesetzt. Für die Papierindustrie ist es viel zu teuer. Frischfasern für die Papierherstellung in Deutschland stammen aus Durchforstungs- und Plantagenholz sowie Sägewerksabfällen.
- Zertifizierungen: Printmedien können Umweltzertifizierungen erhalten, etwa das FSC- oder Blauer Engel-Siegel. Das führt zu Transparenz und schafft Vertrauen.
- Recycling: Deutschland ist Recycling-Weltmeister. 84 % der grafischen Papiere in Deutschland werden recycelt - das macht Druckprodukte so nachhaltig.
- Druckverfahren: Die Druckbranche ist nicht von gestern. Seit Jahren werden zunehmend moderne, energiesparende Drucktechnologien eingesetzt und weiterentwickelt.
- Langlebigkeit: Hochwertige Printprodukte wie Bücher, Magazine oder Poster haben oft eine lange Lebensdauer und können über einen langen Zeitraum hinweg einen Mehrwert schaffen.
- Unabhängigkeit von Stromquellen: Es braucht keinerlei Strom- oder Energiequelle, um Printmedien zu konsumieren. Einmal vorhanden, sind sie „einfach“ verfügbar.
- Verfügbarkeit: Printmedien sind auch für Menschen ohne Zugang zu digitalen Geräten oder Internetverbindungen verfügbar – eine soziale Dimension der Nachhaltigkeit.
- Orientierung: Printmedien schaffen im digitalen Overflow Orientierung.
Und die Moral von der Geschicht?
Es dürfte deutlich geworden sein, wie wichtig es ist, die „Gesamtnachhaltigkeit“ zu betrachten und nicht vorschnell anhand einiger weniger Faktoren zu beurteilen, was besser oder schlechter ist. Was das Thema Nachhaltigkeit betrifft, ist die Aufgabe, vor der Akteure der grafischen Industrie nun stehen, den Vorurteilen gegenüber Printprodukten das „-ur-“ zu nehmen und ihre Vorteile wieder sichtbarer zu machen – auch über den Bereich der Nachhaltigkeit hinaus. Printmedien haben Charakter. Sie sind greifbar, echt, bieten ein vollwertiges sensorisches Erlebnis. Das bewusste Durchblättern einer Broschüre oder das Berühren eines hochwertigen Druckprodukts kann eine unmittelbare und tiefgreifende Verbindung und Wertschätzung schaffen. Darüber hinaus können Printmedien mit einer Conversion Rate punkten, die im Online Marketing kaum zu erreichen ist. Die physische Präsenz und Wertigkeit von Printmedien können zu einer langfristigen Nutzung beitragen und einen Erinnerungswert schaffen. Das ist nicht nur im Kontext der Nachhaltigkeit gut, sondern auch für die Bindung an eine Marke. Wichtig ist: Es geht nicht um ein gegenseitiges Ausspielen. Es geht darum zu verstehen, dass Print und Digital wie zwei verschiedene Wesen sind – mit verschiedenen Charakterzügen und Stärken. Genau dadurch können sie einander oft wunderbar ergänzen – und das können wir auch für eine wirklich nachhaltigere Zukunft der grafischen Industrie nutzen.